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Stille Tage auf Spiekeroog 19/20

Stille Tage auf Spiekeroog -  Jahreswechsel 2019/2020

 

Quellerdünen!

Wie märchenhaft und wundersam klingt dieses Wort. Schon das geflüsterte Aussprechen des Ortes des Mekkas des CVJM Landesverbandes Hannover bringt Laute des Entzückens bei den Wissenden hervor. Vervollständigt mit den Worten „Sylvester“ oder „Stille Tage“ werden bei allen, die jemals dabei waren, wohlige Erinnerungen ausgelöst. Kein kommendes Sylvesterfest kann jemals verhindern, das an diese Zeit zurückgedacht wird. Doch warum ist das so? Es ist wie bei einer Orange....

 

Alle zwei Jahre wird unsere Freizeit- und Jugendbildungsstätte zu Sylvester geöffnet. Rund 60 Leute aus den CVJM-Ortsvereinen Hermannsburg, Laatzen und Sarstedt machten sich auf den Weg. Ebenso eine Familiengruppe mit Kleinkindern. Die meisten fuhren traditionell mit dem Bus, wobei es bei jeder Haltestation schon ein großes „Hallo“ aufgrund der neu zugestiegenen gab. Umarmungen hier, freudige Gesichter dort. Es war zu spüren: Endlich ging es wieder dorthin, wo das Herz einen LV-CVers schlägt. Das spürten sicherlich auch diejenigen, die noch nie „oben“ waren.

 

Ulrike Seemann, Hausleiterin, begrüßte uns fröhlich vor Ort. Danach verteilten wir uns: Die Hermannsburger nahmen das Gästehaus III sowie die Westveranda in Beschlag, die Laatzener eroberten den neu gestalteten Clubraum, die Familiengruppe bezog das Gästehaus I.

 

Wir nahmen die Ostveranda für uns ein. Nach einigen Umbaumaßnahmen (Kuschelecke herrichten) und dem Aufbau des bisher geheimen neuen Mitgliedes (Alexa) lernten wir uns kennen gewöhnten uns ein. Lenny und Thordis, zum ersten Mal bei den Stillen Tagen dabei, gefiel das alles so gut dass sie spontan den Abendabschluss übernahmen. Und das nicht zum letzten Mal.

 

Derart an der Nordsee angekommen wurde die Umgebung erkundet und auf die Nachzügler gewartet: An den ersten beiden Tagen standen wir jeden Vormittag am Hafen und begrüßten unsere neuen Gruppenmitglieder standesgemäß mit Kaltgetränk und – leider erst beim zweiten Versuch – mit CVJM Fahne. Nun konnte es richtig losgehen.

 

„Lebens.Wert“ war unser Thema. Was ist für mich wichtig im Leben, was hat einen Wert, was eher nicht? Mit verschiedenen Methoden näherten wir uns dem Kern des Ganzen, drehten thematisch alles auf den Kopf oder versuchten, die wichtigen Dinge in der wohl bekannten Bedürfnispyramide unterzubringen. Wie sähe meine Pyramide wohl aus wenn ich 70 Jahre alt bin? Oder wie war sie als ich 15 Jahre alt war? Spannend. Und als wäre das nicht alles sammelten wir unsere Apps ein. Welche haben wir, bei welcher bleibe ich kleben? Und warum überhaupt? Wie funktionieren Belohnungssysteme in Apps? Welche Auswirkungen so etwas haben kann zeigte am Abend dann eine Folge aus der SF-Serie „Black Mirror“.

 

Überhaupt waren die Tage angefüllt mit einem Wechsel zwischen thematischen Dingen und Zeit für andere wichtige Dinge. Die kleine Lisa, gerade ein Jahr alt geworden, fügte sich sehr harmonisch in die Gruppe ein, die sowieso sehr harmonisch war. Wir hatten Zeit zum spielen, nicht nur mit Lisa, zu lesen, zu Strandspaziergängen bei super Wetter (es regnete nicht ein einziges Mal), die Seele baumeln zu lassen, den Sandwichmaker zu benutzen oder eine Jever-Prieltaufe zu erfinden.

Den Abend bestimmten ab und an der „Tatortreiniger“ oder auch die Spiele ANNO DOMINI oder TIC TAC BUMM.

 

Alexa war derweil immer mal wieder mit etwas anderem beschäftigt. Mal versuchte jemand sie auszutricksen, mal spielte sie Musik ab (meist die Playlist „Rockhymnen“) oder sie erzählte einen blöden Witz. Wir kamen zu dem Schluss, das Alexa noch lange keine künstliche Intelligenz ist sondern nur ein Programm – aber drollig war das schon. So setzten wir sie für eine geführte Traumreise-Meditation ein, die wunderschön war.

 

Mittlerweile war es der Tag vor Sylvester geworden. Es zeigte sich, dass wir thematisch kaum weitergekommen waren – unterschiedliche Anreisezeiten erfordern einen ganz anderen Umgang mit dem thematischen Input. So planten wir den Sylvestertag auf den letzten Drücker durch und verteilten die Gruppen. Eckpunkte, Einzelheiten, Dinge die man unbedingt dabei haben wollte – alles wurde auf unsere sieben Schultern verteilt. Der ganze Sylvestertag selbst war für die Vorbereitung reserviert. Und die anderen Gruppen verhielten sich ähnlich.

 

Am 31.12. war es überall auf Quellerdünen zu spüren: Etwas ist anders als sonst. Das lag nicht nur daran dass es am Abend von der Küche aus ein zauberhaftes Sylvesterbuffet gab. Die Laatzener zum Beispiel wollten nicht nur den Jahreswechsel ohne Uhr und Handy durchführen, sondern lebten den ganzen Tag so. Überall wuselte es, jeder bereitete den Jahreswechsel auf seine Weise vor. Was allerdings sicher war: Überall tauchten Abendmahl, Spiele und Rückblick auf. Wie und in welcher Reihenfolge – das machte jede Gruppe für sich aus.

 

Unsere Show begann mit dem Abgeben der Uhren und der Handys, die in einer Zeitbox verwahrt wurden. Ab sofort waren wir zeitlos – ein herrliches Gefühl, wenn man keine Zeit hat. Ein buntes Potpourri von Spielen für alle brachte uns in Feierlaune. Von TIC TAC BUMM mit selbst entwickelten Fragen bis hin zum Klassiker „Personenraten“ war alles vertreten. Danach wurde aus der Kuschelecke eine Kinoecke – Dinner for One darf auch auf der Insel nicht fehlen.

 

In der nun ruhigen Phase wurde in einer leicht geführten Mediation (Medi-Musik über Alexa) des vergangenen Jahres gedacht. Von globalen Ereignissen (zB Greta) bis hin zu persönlichen Dingen – vieles wurde angerissen und berücksichtigt. Die guten Dinge schrieb man sich auf – und die schlechten auch.

 

Mit etwas Taize-Musik auf den Lippen gingen wir nach draußen, wo uns ein schon seit Stunden brennender Feuertopf erwartete. Hier verbrannten wir symbolisch die Dinge, die wir nicht mit ins nächste Jahr nehmen wollten. Und als wir so um den Feuertopf herumstanden, erscholl aus der Ferne (von der Königsdüne aus?) Trompetenmusik. Ein Trompeter spiele „Nehmt Abschied Brüder“, „Amazing Grace“ und "Großer Gott wir loben dich" – Gänsehaut pur. Dann ging es zurück zum Tischtennisraum. Der war zum Andachtsraum umdekoriert worden. Wunderschön ließen etliche Teelichter den Altar erhaben erscheinen. Hier brachte ein Agape-Mahl das Jahr auch spirituell zu Ende.

 

Die Jahreswechselgruppe verteilte nun Tickets für das nächste Jahr, die mit einer komplizierten Maschine verteilt wurden. Doch wo sollte das nächste Jahr uns denn erwarten? Wir gingen über den mit vielen Knicklichtern belegten Weg zum Strand (die lagen da weil die Laatzener ihren Jahreswechsel am Strand machten) bis zur kleinen Aussichtsplattform. Dort mussten wir unsere Tickets abgeben, eine Schranke öffnete sich und HURRA! wir waren im neuen Jahr. Ach war das schön wie wir dort oben standen.

 

Wieder in der Ostveranda gab es die Handys zurück. Vorher wurde an der Tafel geschätzt, wie spät es wäre. Als alle geschätzt hatten, sagte jemand „Alexa, wie spät ist es?“ und wir hielten vor Spannung die Luft an. Dann sagte die Stimme „Es ist ein Uhr fünfundzwanzig“. Bumm!

Dann wurde gefeiert, gelacht und herumgeguckt was die anderen Gruppen so machten. Die Laatzener hatten wohl ein gutes Zeitgefühl und hatten ihren Knicklichterweg bis an den Strand gelegt, wo sie links beide Jahreszahlen ausgelegt hatten. Die Hermannsburger nahmen es mit der Zeit sehr genau und hatten sich das Feuerwerk angesehen.

 

Am vorletzten Tag unserer Reise war die Spannung raus. Nachmittagsboseln ist Tradition, ebenso wie eine Feedbackrunde. Am letzten Tag schließlich alles Rückwärts: Abbauen, Koffer in den Container, aufräumen, abwaschen und Quellerdünen verlassen. Nicht jedoch ohne vorher allen Mitarbeitern in der Küche mit tosendem Applaus und dem Lied „Thank you Team for givin´us food“ zu danken. Sie haben uns hervorragend bekocht und für so etwas ist man aus tiefstem Herzen dankbar. Das hat der Applaus auch deutlich gemacht.

 

Abschied, Busrückreise, Nachklang, schlafen. Die tollen Tage waren vorbei. Wieder einmal. Und wieder einmal hat sich gezeigt, dass die Stillen Tage, die still sind weil Stille die Tage bestimmt und nicht laute Knaller, etwas ganz besonders sind und eine echte Alternative zu Festlandpartys darstellen. Worte können die Gefühle kaum wiedergeben. Es ist schwer zu erklären, was man nur erleben kann. Wie soll man jemanden beschreiben, wie eine Orange schmeckt, wenn er sie noch nie gegessen hat? Er muss reinbeißen, es geht nicht anders.

 

In zwei Jahren wieder Stille Tage? Auf jeden Fall!

 

-Gero Grübler-